Familien-Treffpunkt Baseball
Das Wilkommen bei Rachels Familie könnte wärmer nicht sein – und wohl auch nicht amerikanischer. Denn gleich zu Beginn steht auf einem der örtlichen Baseballfelder das letzte Trainingsspiel für den 10-jährigen Neffen an. Man packt Faltstühle ein, klemmt zur Sicherheit warme Jacken und Regenschirme unter den Arm, und als man beim Spielfeld ankommt, ist die Partie unserer West Lafayette Red Devils gegen die Battle Ground Tomahawks bereits in vollem Gange.
“What’s the score?“
„Does anybody even keep the score?”
“Does it really matter?”
„Don’t know. You’ll have to ask the coach.“
Das grosse Scoreboard ist gar nie erst eingeschaltet worden. Auf dem Feld stehen sich zweimal zehn Spieler im Alter von 8 bis 10 Jahren gegenüber, zwei erwachsene Coaches und mehrere Assistenzcoaches managen das Geschehen auf dem Feld. Flutlichter tragen zur vorabendlichen Stimmung bei. Das Publikum besteht aus vielleicht 40 oder 50 Personen. nach Mannschaftszugehörigkeit verteilt über zwei Seiten des Spielfeldrandes. Ein paar Regentropfen sind zu spüren. Schirme werden aufgespannt. Die jetzige Herbst-Liga ist, im Unterschied zur weitaus populäreren Frühlings-Liga, im Grunde nur noch was für die wirklich Hartgesottenen - und das meint Spieler wie Familien. Wer hier noch die Mitgliederbeiträge berappt, der taucht dann auch auf, um dem Training beizuwohnen, sollte man meinen. Doch üblicherweise
Dabei nimmt man in den Rängen die sportliche Performance der Jungmannschaft ganz offensichtlich nicht überall gleichermassen ernst. Hier und dort wird Sohnemann angefeueurt.
„You got that one!“ – „Stay focused!” – “Nice catch!”.
Andere Zuschauer sind hingegen entweder mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt, lesen ein Buch, oder sind in Gespräche miteinander vertieft. Man plant die nächste Woche, redet über die Ferien oder diskutiert ein medizinisches Problem. Die kleineren Kinder krabbeln nebenan im Rasen herum, jemand hat eine Katze mitgebracht, die nun einige Mädchen beschäftigt. Ein Baseballtraining ist eben mehr als Sport. Es ist ein möglichst soziales Ereignis, an das man hinfährt, um sich auszutauschen. Da sitzt man dann, in kleineren Familiengruppen zusammen, die einen auf jenen selber mitgebrachten, klischeehaft amerikanischen Falt-Campingstühlen mit Getränkehaltern, die anderen auf den grossen Tribünen, die für substanziell mehr Publikum ausgelegt sind. Manchmal, so lass ich mir erzählen, bringt der eine Vater sogar einen Grill mit, um man veranstaltet im Anschluss ans Training ein BBQ. Manchmal, nicht heute.
Am Horizont färbt die Sonne den Himmel bereits in verschiedene Rot- und Rosé-Töne, während das letzte Inning gespielt wird. Wer letztlich gewonnen hat, scheint niemanden so recht zu interessieren. Aber man hat das Spiel auf einem iPhone aufgezeichnet. „Good Game!“ Die Kinder schlagen sich gegenseitig aufmunternd auf die Schultern, während das Gathering allmählich aufgelöst wird. Respekt wem Respekt gebührt.
Wie gesagt, es war das letzte Training der Herbst-Liga. Jetzt ist erst einmal Winterpause und das nächste social Baseball-Gathering muss warten bis im Frühjahr. Für die eine oder andere Familie mag das durchaus eine Erleichterung sein, denn ein üblicher Einsatzplan sieht pro Woche immerhin drei Termine vor.