Eine Stadt wäre zu erraten

Ich verabschiede mich von Rachel und ihrer Familie. Ich bin dankbar für die Zeit hier und die all die Eindrücke und frischen Erinnerungen, die sich sorgsam in meinen inneren Rucksack packe, ehe ich mich wieder auf den Weg mache. Vor mir liegt… Nun ja, meiner Nase folgend wohl die Region, in der das Wetter weniger regnerisch ist und es von meinen geliebten Herbstfarben zu finden gibt. Nach einer ersten Etappe mache ich halt in einer Stadt, in der sich das Folgende zugetragen hat:

Es soll da eine Ente gegeben haben, die im letzten Jahr des zweiten Weltkriegs ihr Nest unter einer Brücke eingerichtet hatte, welche über den Fluss nahe der Stadtmitte führte. Als eine der (damals zahlreichen) Tageszeitungen einen Artikel über den Vogel publizierte, hätten sich die Stadtbewohner gleich scharenweise vor Ort eingefunden, um die Entenmutter und später ihre sechs geschlüpften Küken zu beobachten.

Die Zeitungen schrieben mehre Stories hintereinander, immer mehr Leute kamen. Entenschauen wurde zum Hotspot der Stadt. Man organisierte sogar eine Patrouille, die Schaulustige auf Distanz halten sollte, damit die Entenfamilie wenigstens ansatzweise ihre Ruhe hatte. Als die Küken immer wieder in den Fluss fielen und flussabwärts trieben und das während es eines Sturms noch gefährlicher wurde, beschloss man schliesslich, was zu unternehmen. Zunächst wurden die Tiere im Schaufenster eines örtlichen Kaufhauses (?!) ausgestellt, was sich aber aufgrund des Zuschauerandrangs als relativ stressig für die Tiere herausstellte. Schliesslich fanden sie im nahen Parkteich ein neues Zuhause.

Wie ein Stadthistoriker erklärt, hätte der veritable Hype um die Entengeschichte wohl vor allem damit zu tun, dass es den Leuten in schwierigen Kriegsjahren etwas Hoffungsvolles, Herzerwärmendes habe geben können, etwas, um das man sich mit viel emotionalem Engagement habe kümmern können.

Wie heisst die Stadt?
Wie hiess die Enten-Mama?
Und wie hiess der Gründer und Manager eines berühmten Hotels in der Stadt, der heute noch in der Lobby herumgeistern soll?

Flo Schaer

I live in German-speaking Switzerland and have about 15 years of journalism under my belt. While a newsroom offers a daily writing routine, you are forced to use a rather simplified and rudimentary language. That's why I'm looking for a way back to a more resonant, soulful, lyrical, and perhaps more substantial language. In light of the fact that I ultimately want to write stage plays, my focus is definitely on dialogue.

https://www.floschaer.com
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